Heute, während des Konzertes in der Oper, dachte ich über die Meldung in der FAZ nach: Alloheim plant, alles zu verkaufen. Und ich überlegte, wie ich als Altenpfleger so über die Runden komme kann. Müssen neue Autoreifen her, muss der geplante Urlaubstrip gestrichen werden usw. Große Sprünge bei dem Einkommen kann ich nicht machen.
Und dann fiel mir wieder ein, dass die größte Pflegeheim-Betreiberkette verkauft werden soll. Mir wurde klar, dass ich etwas falsch mache. Also beschloss ich, gedanklich eine Pflegeheim-Kette gewinnbringend zu gründen.
Schritt 1:
Ich, als „Frau Sofa Gruppe GmbH & Co.KG“ gründe mehrere Unternehmen, die da sind:
1. eine „Frau Sofa & Partners Invest Inc.“ mit Sitz in Liechtenstein, über die ich die finanziellen Mittel akquiriere. (100%)
2. ein kleines Alten- und Pflegeheim „Frau Sofa Abendrot für Senioren“ als GmbH & Co.KG (100%)
3. eine „Frau Sofa Hausverwaltungs- und Liegenschaftsverwaltungs GmbH“ (51%)
4. eine Reinigungs- und Service Kette „Frau Sofa blitz blank“ als GmbH lt. (60%)
Schritt 2:
1. Mit der „Frau Sofa & Partners Invest Inc.“ sammele ich über Banken und auf privater Ebene Einlagen ab einer bestimmten Höhe. Sagen wir mal, 20.000 Euro Mindesteinlage, der ich eine Rendite von 5% p.a. zusichere.
2. Ich publiziere, bzw. lasse publizieren, dass das finanzielle Engagement in der Pflege absolut lukrativ ist und die Rendite höher ist als bei sonstigen Investments, die von Banken angeboten werden.
Schritt 3:
Nun ist binnen kürzester Zeit genügend Geld gesammelt. Es parkt irgendwo in einer Steueroase. Jetzt soll es sich aber mehren. Denn ich will reich werden.
1. Das Alten- und Pflegeheim „Frau Sofa Abendrot für Senioren“ aus Schritt 1, Punkt 2, benötigt (so von mir beschlossen) einen Kredit, um laufende Kosten zu decken. Denn die Betriebskosten fressen mir die Haare vom Kopf. Ich frage deshalb bei „Frau Sofa & Partners Invest Inc.“ (Schritt 1, Punkt 1) um einen Kredit nach, der mir gewährt wird.
2. Die Verwaltung des Alten- und Pflegeheims „Frau Sofa Abendrot für Senioren“ aus Schritt 1, Punkt 2, braucht eine gute Verwaltung, weshalb ich nun die „Frau Sofa Hausverwaltungs- und Liegenschaftsverwaltungs GmbH“, (Schritt 1, Punkt 3) bei der ich 51% halte, beauftrage. Die „Frau Sofa Hausverwaltungs- und Liegenschaftsverwaltungs GmbH“ macht dies nicht kostenfrei, sondern berechnet mir ihren Dienst. Und als Mehrheitseignerin bestimme ich die Höhe der Kosten.
3. Ich source die Reinigungskräfte in die Firma „Frau Sofa blitz blank“ aus, biete Änderungsverträge mit entsprechend niedrigen Gehältern an. Die Firma „Frau Sofa blitz blank“ bekommt die Reinigungsaufträge für meine Einrichtungen und Verwaltungsgebäude. Dies berechnen sie natürlich den Einrichtungen.
4. Ich melde mich bei der Agentur für Arbeit und bekunde mein ernsthaftes Interesse, für Umschüler Ausbildungsstellen zur Verfügung zu stellen. Die Löhne/ Ausbildungsvergütungen der Auszubildenden werden deshalb von der Agentur für Arbeit übernommen.
5. Ich mache weiter mit Schritt 2, Punkt 2.
6. Ich biete Fachkräften ein Gehalt, das gerade noch zum Überleben reicht. Dabei achte ich darauf, dass solche Kräfte eingestellt werden, die in der Altenpflege ihr eigenes Heil sehen und für jede nicht bezahlte Sonderaufgabe gerne zur Verfügung stehen.
Schritt 4:
Ich muss darauf achten, dass jedes Unternehmen von mir mit den anderen irgendeinen Vertrag abgeschlossen hat. Und ich lasse bewusst die Kosten explodieren.
Über „Frau Sofa & Partner Invest Inc.“ habe ich inzwischen parallel noch mehr finanzielle Mittel werben können. Geld ist da, ich kann in die nächste Phase übergehen. (siehe Schritt 2, Punkt 2)
Mittlerweile habe ich schon zwei weitere Pflegeheime übernommen, deren Kauf über die Firma „Frau Sofa & Partner Invest Inc.“ finanziert wurden. Auf einmal kann ich als Altenheimbetreiber, da alle Heime unter dem Namen „Frau Sofa Pflege“, einen gewissen emotionalen Druck aufbauen.
„Pflege ist teuer“, das ist mein Credo, dass ich jetzt parallel zu Schritt 2, Punkt 2 in den Medien verkünde. Und ich jammere, dass Pflege nach den derzeitigen Regeln nicht finanzierbar ist, fordere den Staat und die Krankenkassen auf, ihr Engagement zu verstärken.
Die Schüler aus Schritt 3, Punkt 4, lasse ich im Dienstplan als 100%-Stelle mitlaufen. Wofür habe ich sie denn? Und außerdem weiß ich, dass weder MDK noch Heimaufsicht darauf achten. Diese Einheiten achten nur darauf, dass die Dienste abgedeckt und ob die Mindestzahl an Fachkräften pro Schicht vorhanden sind. Das ist für mich ganz easy. Also habe ich in der Pflege weitere Arbeitskräfte mehr, die ich nicht zahlen muss. Deren Gehälter sind nur „Durchgangsposten“ für meine Buchhaltungen.
Schritt 5:
Dank meiner Steuerberater und ihren technischen Kniffe, laufen die von mir betriebenen Senioreneinrichtungen haarscharf oberhalb einer Insolvenz. Nun zahle ich meine Anleger, auch mich, aus. Ich zahle die Rechnungen und kassiere über die Bilanzen aller meiner Unternehmen nicht nur Gewinnanteile, sondern auch das eine oder andere Mal mein Gehalt, das ich mir selbst festgelegt habe.
Schritt 6:
Ich signalisiere in bestimmten Kreisen, dass ich inzwischen 39 Seniorenheime, 19 ambulante Dienste, 48 Einheiten „Betreutes Wohnen“ und diverse weitere Service-Unternehmen betreibe und einen Jahresumsatz von etwa 245.837.290 Euro habe.
Über Schuldabschreibungen, Dividenden, Personalkosten usw. kann ich die Bilanzen der einzelnen Unternehmensgruppen bearbeiten bzw. variieren. Und klar, ich muss alles auf dem Bundesanzeiger veröffentlichen. Wobei ich immer nur die vorletzte Bilanz pro Unternehmen publiziere. Damit eventuell informierte Mitarbeiter oder aber investigativ arbeitenden Unternehmen mir nicht auf die Schliche kommen.
Schritt 7:
Ich verkaufe alles. Für welchen Preis? Das verrate ich Euch nicht. Das geht Euch erst einmal nichts an.
Mir geht es gut und ich kann endlich die neue Bereifung meines Wagens aus der Portokasse zahlen.
Uppss.. grad ruft mein Steuerberater an und empfiehlt mir, die neue Bereifung doch unter „Betriebsausgaben“ abzuheften, um meinen Gewinn zu maximieren.
Meint Ihr, dass ich mit diesem fiktiven Gedankenspiel fern ab jeder Realität liege? Lasst mich das wissen. Sei es hier als Kommentar oder drüben auf Twitter.
Ich freue mich schon jetzt auf unseren regen Informationsaustausch.
In diesem Sinne
Eure
Frau Sofa
[…] schrieb ich vor einigen Tagen hier noch über das Geschäft zur Gewinnmaximierung unter Heimbetreibern, da gestern am 18.7.2017 in DIE WELT ein dazu passender Artikel, der meine fiktive […]
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[…] ich mit meinem fiktiven Gedankenspiel recht nah die Realität angekratzt habe, finde ich in zwei Artikeln von ver.di […]
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[…] ist inzwischen zu einem lukrativen Geschäftsmodell mutiert. Wir Personal müssen uns bei gleicher Besetzung um immer mehr schwere Pflegefälle […]
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Das Gebaren der Investoren muß konterkariert werden! Nur wie?
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Keine Ahnung! Wir können es nur insoweit beeinflussen, indem wir Druck auf die Politik und Gesellschaft ausüben, hier eine strenge gesetzliche Regelung formuliert wird, sämtliche Mittelverwendungen offen zu legen, dazu die Personalunionen der Heimbetreiber mit den „Service“-Diensten wie Reinigung oder Immobilienverwaltung usw. Wir müssen die Angehörigen aufstacheln, ebenfalls aufzubrüllen, voller Wut – denn die Gewinne reduzieren massiv und EINDEUTIG die Lebensqualität der zu pflegenden Personen.
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Hat dies auf Betrachtungen der Welt aus Sicht der Heiligen Schrift rebloggt und kommentierte:
Genialer Beitrag über die wahren Hintergründe der Probleme on der Pfkege. Unbedingt lesenswert. Aber Vorsicht beim Faust ballen!
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Der ganze Blog ist sehr informativ und stilistisch gut geschrieben. Danke.
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Ich danke dir für das Kompliment. 🙂
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[…] P.S.: Man lese auch: hier, hier, hier und hier. […]
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[…] die Pflegekassen bzw. Sozialämter (ARGE heute) erhalten, besteht für sie auch über bestimmte Konstrukte ihrer Unternehmungen wenn sie es clever anstellen, noch weitere […]
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