Ich gestehe!

Ja, ich gestehe, auch ich war lange Zeit bewusst in der Zeitarbeit. Und ich fühlte mich da sehr gut aufgehoben, wie schon lange vorher nicht mehr (Ausnahme: mein aktueller AG, auf den ich nichts kommen lasse!)

Bezugnehmend auf den aktuellen Artikel vom Pflegearzt, veröffentlicht heute, will ich aus meiner eigenen Erfahrung sprechen. Denn ich war bewusst Zeitarbeiterin, aber niemals eine „Söldnerin“!

Sicherlich gibt es noch bessere Personaldienstleister als der, bei dem ich mich anstellen ließ, aber ich hatte mehr Freiheiten als eine festangestellte Fachkraft. Dazu im Weiteren unten mehr.

Im Folgenden werde ich mich der Überschriften aus dem Text vom Pflegearzt bedienen, um meine Erfahrungen offen zu legen.

„Geschmack von Söldnertum“

Was ist ein Söldner? Und was ist überhaupt Söldnertum?
Wikipedia beschreibt es so:

Ein Söldner ist ein gegen Bezahlung (Sold) angeworbener, zumeist zeitlich befristet dienender und durch Vertrag gebundener Soldat. Das Söldnerwesen war bereits in der Antike sehr verbreitet. Es prägte vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution das europäische Militärwesen.

Silke Doppelfeld, auf die sich der Pflegearzt in seinem Blogbeitrag bezieht, schreibt dazu in ihrem Kommentar auf pflegen-online:

So erscheint es auf den ersten Blick logisch und legitim, seine Arbeitskraft so teuer wie möglich zu verkaufen und nach den angenehmsten Arbeitsbedingungen zu suchen. Doch wie zufrieden macht das Modell Zeitarbeit wirklich? Hat es nicht auch etwas von Söldnertum?

Hätte sich Frau Doppelfeld in ihrem Text auf freiberuflich tätige Pflegefachkräfte bezogen, hätte ich ihr in diesem Punkt zugestimmt. Leasingkräfte aber treten nicht mit den Einrichtungen in Verhandlungen, wenn es um ihre Bezahlungen geht, sondern dies allein macht der Personaldienstleister, bei dem sie unter Vertrag stehen. Dies wird im AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) geregelt.

Je nach Qualifikation und Berufserfahrung werden die Pflegefachkräfte vom Personaldienstleister nach dem aktuellen IGZ-Tarifvertrag eingestellt. Die darin hinterlegten Stundenlöhne sind niedriger als die der Festangestellten. „Aufgemotzt“ aber werden die Gehälter durch Boni, Zulagen, Kilometergeld und Tagespauschalen. Die Boni sind verhandelbar, alle anderen Zahlungen sind festgeschrieben.

Jede Leasingkraft hat daher augenscheinlich ein höheres Nettoeinkommen, aber da allein das Grundgehalt (lt. IGZ-DGB-Tarif) maßgeblich für die Sozialversicherungen, ergo auch für die künftige Rentenzahlungen ist, zieht hier jede Leasingkraft den schwarzen Peter.

Nun sollte bei all dem nicht vergessen werden, dass der IGZ-Tarifvertrag mit dem DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund – Dachverband von Ver.di) ausgehandelt wurde.

„Zeitarbeit landen oft in problematischen Häusern“

Manchmal stimmt diese Aussage. Manchmal! Aber meist nur kurz!

Hier zeigt sich die Macht der Leasingkräfte. Denn sie spürt sehr sehr schnell, wenn etwas nicht stimmt. Und – hat man eine gute Disponentin oder einen guten Disponenten, wird man/ frau binnen zwei Tagen angerufen und um ein Feedback zur Einrichtung gefragt.

Dazu kommt, dass jede Leasingkraft eine eigene rote Liste hat, also eine Liste der Häuser, in der sie nie (mehr) arbeiten möchte, aus welchen Gründen auch immer.

Ja, Leasingkräfte kommen AUCH in problematische Häuser und Kliniken, werden sich aber sehr schnell wieder verabschieden, wenn etwas nicht stimmt. Und diese Einrichtungen kommen auf die roten Listen.

Meine Erfahrung war aber auch eine Gegenteilige zu der Behauptung von Frau Doppelfeld. Nicht die problematischen Häuser suchen nach Leasingkräften, sondern besonders Einrichtungen und Kliniken, die ihren Qualitätsstandard aufrecht erhalten wollen – im Sinne des Bewohners oder des Patienten.
Das sind die Einrichtungen, die einem Pflegemangel rechtzeitig vorbeugen wollen, weil Krankheit oder Urlaub die Personaldecke verdünnt und die Betreiber möchten, dass die Festangestellten ausreichend Kraft behalten. Und Leasingkräfte merken das sehr schnell und sind bereit, sich erneut von dort engagieren zu lassen. Ansonsten? Stichwort: Rote Liste!

„Lonesome Cowboy“ und „Ständig müssen sich die ‚Gastarbeitenden’ neu erfinden“

Ja, Leasingkräfte in der Pflege sind „Lonesome Cowboys“, und ja: Sie müssen sich ständig neu erfinden!, denn sie müssen sich ad hoc in ein laufendes System einsteigen, zum Teil sofort verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen, sich immer neuen Bedingungen und Hierarchien anpassen, dabei das Wohl der Menschen nicht aus den Augen verlierend, um das System, in das sie eingebunden werden, zu unterstützen. Dazu müssen sie sich von jetzt auf gleich umstellen können.

Dies bedeutet eine ungemeine Anstrengung, aber auch Routine.

Klar, manchmal müssen sich die Leasingkräfte neu erfinden, besonders dann, wenn sie als „A*sch vom Dienst“ von der PDL und den anderen Kollegen behandelt werden. Aber auch hier ist Routine gefragt und ein dickes Fell.

Nun muss ich aber manchen meiner Ex-Kollegen aus der Zeitarbeit eine Schelte erteilen! Fachlichkeit bedeutet auch, sich vor dem ersten Dienst mit den Akten auseinander zu setzen und die Bedarfe zu erarbeiten! Anders kann ich mir manche Reaktionen von Stationen nicht erklären, die da war: „Dein Kollege vorher hat das aber nicht gemacht? Warum willst du die Pflegeplanung lesen?

„Verantwortungsgefühl nimmt ab“

Jetzt schließe ich von mir als Ex-Leasingkraft auf meine ehemaligen Kollegen. Und sage: BULLSHIT!

Leasingkräfte unterliegen dem gleichen Pflegeethos wie die Festangestellten. Eigentlich ist die Situation der Leasingkräfte noch schlimmer, denn die Personaldienstleister fordern vom Auftraggeber auch eine Beurteilung ein. Und wenn Leasingkräfte in der Pflege nach dem „leck mich doch am *****“ Prinzip arbeiten würden, bekämen sie keine Aufträge mehr!

Ich glaube sogar, dass Pflegefachkräfte im Leasing teilweise verantwortungsvoller vorgehen als manche Festangestellte!

„Zeitarbeiter kritisieren nicht“

Als ich das las, musste ich lachen! Denn Leasingkräfte haben mehr Macht als die Festangestellten. Es juckt sie nicht, zur PDL zu gehen und pflegerische Missstände aufzuzeigen. Denn es geht um die Qualität ihrer Dienste, und ich kenne keine Fachkraft im Leasing, die den Mund hielt, wenn sie in ihren Diensten mit massiven Problemen konfrontiert wurde.
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Ich weiß nicht, welche Erfahrungen Frau Doppelfeld mit Leasingkräften gemacht hat. Auch weiß ich nicht, welche Ambitionen sie dazu getrieben haben, so einen unreflektierten Kommentar zur Zeitarbeit zu schreiben. Sollte sie Negativerfahrungen gemacht haben, dann tut es mir leid für sie. Aber ich empfehle ihr, nicht von Einzelfällen auf die Masse zu schließen.

Denn ich kenne viele bewusst als solche arbeitende Leasingkräfte, ob ich sie persönlich sympathisch finde oder nicht, die ihren Job ernst nehmen und deshalb zum geeigneten Zeitpunkt ein STOPP-Signal setzen, wenn sie merken, dass sie verarscht werden. Vielleicht, ich weiß es nicht, waren es ja auch solche Leasingkräfte, mit denen Frau Doppelfeld Kontakt hatte?

Ich möchte an dieser Stelle dem Pflegearzt ganz herzlich für seinen Blogeintrag danken. Denn ohne diesen wäre dieser Text nicht erstanden.

In diesem Sinne
Eure Frau Sofa

P.S.: Trotz der schlechteren Bezahlung ist die Zufriedenheit unter den Leasingkräften größer als unter den Festangestellten der Einrichtungen. Sie haben eine Kontrolle über ihre Freizeit und somit über die Teilhabe am sozialen Leben.

Und die meisten Leasingkräfte wissen, dass ihre Arbeitgeber teilweise den vierfachen Satz von ihrem Gehalt einfordern. Dabei denken sie: „Zahl deine Pflegefachkräfte endlich anständig, dann brauchst du nicht soviel in die Leasingkraft zu investieren! Würde deine Bezahlung für uns stimmen, käme ich wieder zurück zu dir. Und dann klappt es auch wieder mit den Dienstplänen! Vergiss den Blick auf die Rendite, schau auf uns. Denn wir sind die Perlen, mit denen du verdienst!

Aber solange dieses Denken noch nicht bei den Arbeitgebern angekommen ist, werden immer mehr Pflegefachkräfte ihre Flucht in die Zeitarbeit oder in bestimmte ambulante Dienste suchen. Dienste, in denen sie die Chance haben, ein halbwegs gutes Leben zu führen.  Wie ich heute, bei meinem Arbeitgeber.

Ein Kommentar

  1. […] Ja, ich gestehe, auch ich war lange Zeit bewusst in der Zeitarbeit “…Bezugnehmend auf den aktuellen Artikel vom Pflegearzt, veröffentlicht heute, will ich aus meiner eigenen Erfahrung sprechen. Denn ich war bewusst Zeitarbeiterin, aber niemals eine „Söldnerin“! (…) Hätte sich Frau Doppelfeld in ihrem Text auf freiberuflich tätige Pflegefachkräfte bezogen, hätte ich ihr in diesem Punkt zugestimmt. Leasingkräfte aber treten nicht mit den Einrichtungen in Verhandlungen, wenn es um ihre Bezahlungen geht, sondern dies allein macht der Personaldienstleister, bei dem sie unter Vertrag stehen. Dies wird im AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) geregelt. Je nach Qualifikation und Berufserfahrung werden die Pflegefachkräfte vom Personaldienstleister nach dem aktuellen IGZ-Tarifvertrag eingestellt. Die darin hinterlegten Stundenlöhne sind niedriger als die der Festangestellten. „Aufgemotzt“ aber werden die Gehälter durch Boni, Zulagen, Kilometergeld und Tagespauschalen. Die Boni sind verhandelbar, alle anderen Zahlungen sind festgeschrieben. Jede Leasingkraft hat daher augenscheinlich ein höheres Nettoeinkommen, aber da allein das Grundgehalt (lt. IGZ-DGB-Tarif) maßgeblich für die Sozialversicherungen, ergo auch für die künftige Rentenzahlungen ist, zieht hier jede Leasingkraft den schwarzen Peter. Nun sollte bei all dem nicht vergessen werden, dass der IGZ-Tarifvertrag mit dem DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund – Dachverband von Ver.di) ausgehandelt wurde…“ Beitrag vom 06.Oktober 2019 von Frau Sofa im Blog Frau Sofa […]

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